Moorsoldaten

Die Gemeinschaft der Moorsoldaten, die sich in allen ihren Handlungen zeigte, hatte ihre Grundlage in der Solidarität. Nur durch die selbstlose gegenseitige Hilfsbereitschaft ertrug jeder einzelne die harten Schicksalsschläge dieser Gefangenschaft und behielt sein antifaschistisches Siegesbewußtsein.

Solidarität war das Teilen des Stück Brotes mit dem Kameraden in der Strafkompanie und mit dem Revierkranken; Solidarität war die Hilfe für den Schwachen am Arbeitsplatz bei sommerlicher Heißglut oder vernichtender Kälte in den Moorgräben oder beim Straßenbau; Solidarität war der bedingungslose Zusammenhalt beim Strafexerzieren; Solidarität war auch das gemeinsame Gedenken der am Tage Erschossenen trotz Drohung und Terror.

Zur Solidarität gehörten die feste Disziplin und der Zusammenhalt bei Aktionen gegen Spitzel und Verräter, oder Protestaktionen wegen schlechter Lebensmittel, zählten Informationsaustausch, Schulung und politische Aussprache. Tag um Tag wurde so die Gemeinschaft stärker und geschlossener und hielt allem Terror der Faschisten stand.

Die Gemeinschaft der Moorsoldaten umfaßte viele Menschen. Sie reichte von dem bürgerlichen Humanisten Carl von Ossietzky bis zum KPD-Reichstagsabgeordneten Dr. Theo Neubauer; vom demokratisch gesinnten Rechtsanwalt Dr. Litten bis zum französischen Abbé, Prof Frederic Pierad; vom Gewerkschaftsvorsitzenden Fritz Husemann bis zum Schauspieler Wolfgang Langhoff; vom Sohn des ersten deutschen Reichspräsidenten Friedrich Ebert bis zum KPD-Reichstagsabgeordneten Matthias Thesen; vom SPD-Reichstagsabgeordneten Heilmann und dem SPD-Polizeipräsident Eggerstedt bis zum Arbeiterredakteur Karl Schabrod; vom Franziskanerpater Angello van den Bosch, Präsident des belgischen Blindenhilfswerks bis zum führenden Jungsozialisten in Berlin, Hans Seigewasser; vom ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Diederichs bis zum Leiter der Antifaschistischen Aktion in Niedersachsen August Baumgarte; von den Arbeiterredakteuren Willi Kling und Willi Perk bis zum Zentrumsminister Hirtsiefer und bis zum Mitbegründer des Reichsbanners Dr. Theo Haubach.

aus: Willi Perk, Die Hölle im Moor, Röderberg-Verlag, Frankfurt/Main

Wir wollen hier in loser Folge Kurzbiografien von Moorsoldaten vorstellen. Dabei kommt es uns darauf an, die Schicksale derjenigen darzustellen, über die bisher wenig oder gar nicht berichtet wurde. Wenn Sie uns (Kurz-)Biografien von Moorsoldaten zur Verfügung stellen können oder im Besitz von Informationen über Moorsoldaten sind, bitten wir Sie, mit uns Kontakt aufzunehmen. Auch für Hinweise auf weitere Quellen sind wir dankbar.

August Baumgarte

August Baumgarte wurde 1904 in Hannover geboren. Mit 15 Jahren begann er eine Lehre als Schlosser, trat in die Gewerkschaft und bald darauf auch in die Sozialistische Arbeiterjugend SAJ und 1923 in den „Republikanischen Schutzbund Hannover“ ein, der später im „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ aufging. 1926 wechselte er in den kommunistischen Jugendverband über und war im „Kampfbund gegen den Faschismus“ aktiv. Im Herbst 1932 wurde er erstmals wegen seiner politischen Aktivitäten verhaftet und blieb bis Ende des Jahres 1932 in Haft. Am Morgen nach dem Reichstagsbrand wurde er wieder verhaftet.

Am 11. April wurde er in das KZ Moringen eingeliefert, wo er bis zum 18. Oktober blieb. Im Herbst wurde er in das KZ Esterwegen verlegt. Auf kurze Zeiten in Freiheit, in der er in die Illegalität abtauchte, folgten - verraten von Spitzeln - wieder Zuchthaus und KZ-Haft, so unter anderem in Aschendorfer Moor und in Sachsenhausen. Er ließ sich nicht brechen, baute in den Lagern immer wieder Häftlingsselbstorganisationen mit auf. Im Oktober 1944 wurde er mit dem Aktenvermerk „Rückkehr unerwünscht“, was einem Todesurteil gleich kam, in das KZ Mauthausen deportiert, wo er schließlich 1945 befreit wurde.

August Baumgarte war nach der Befreiung in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und der KPD aktiv. Dafür wurde er 1957 zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Als Landessekretär der VVN Niedersachsen entlarvte er 1962 im Verbotsprozess gegen die VVN am zweiten Verhandlungstag den Vorsitzenden Richter des Bundesverwaltungsgerichts als SA- und NSDAP-Mitglied („Herr Dr. Werner, Sie sind ein alter Nazi!“). Der Prozess musste ausgesetzt werden und wurde schließlich eingestellt. Als Vorsitzender des „Moorsoldatenkomitees“ setzte sich August Baumgarte sehr für die Gründung eines Trägervereins ein, dem das Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager (DIZ) seine Existenz verdankt.

August Baumgarte starb 1980.

Otto Kreikbaum

Otto Kreikbaum wurde am 01.04.1909 in Hannover geboren. Er absolvierte eine Schlosserlehre und arbeitete als Kunstschlosser. Otto wurde Mitglied der KPD, war aktiv in der Scheringerstaffel, der Jungfront und der Antifa-Bewegung.

Durch sein politisches Engagement lernte er Luise Lüpke kennen. Sie heirateten 1931 und bekamen in den Jahren bis 1941 fünf Kinder.

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten war Otto unter den ersten, die in "Schutzhaft" genommen wurden. Er wurde zunächst im KZ Moringen und dann im KZ Esterwegen eingesperrt.

Bei Kriegsbeginn 1939 wurde Otto wegen seiner politischen Einstellung und als ehemaliger KZ-Häftling als "wehrunwürdig" eingestuft und zunächst dienstverpflichtet, den Westwall mit aufzubauen. 1940 wurde er einem "Bewährungsbatallion" zugeordnet und musste als Soldat an die Ostfront.

Die Kinder der Familie Kreikbaum wurden im Zuge einer Zwangsadoption nach Österreich gebracht.

Otto Kreikbaum starb Ende 1945 unter ungeklärten Umständen in der Kriegsgefangenschaft.

Quelle: Hannoversche Frauen gegen den Faschismus 1933 - 1945